Interviewvorbereitung

Lernziele

In diesem Kapitel des Qualitorials erhalten Sie einen Überblick zu Rekrutierungsstrategien und Möglichkeiten der Kontaktaufnahme für potenzielle Interviewpartner_innen.

 

  • Sie wissen, welche Punkte in einer Einverständniserklärung enthalten sein müssen.
  • Sie verstehen, auf welche örtlichen und räumlichen Gegebenheiten im Zuge der Vorbereitung zu achten ist.
  • Sie wissen, worauf es bei der Aufnahme des Gesprächs ankommt.

Grundlagen: INTERVIEWVORBEREITUNG

Bevor Sie mit Interviews losstarten können, drängen sich noch eine Reihe von Fragen auf:

  1. Wie komme ich eigentlich zu meiner/m Interviewpartner_in?
  2. Was muss ich im Vorfeld alles organisieren?
  3. Wie ist das eigentlich mit dem Datenschutz? Brauche ich überhaupt eine Einverständniserklärung? etc.

Grundlagen: REKRUTIERUNGSSTRATEGIEN

Wie im Teil Sampling beschrieben, geht es in der qualitativen Sozialforschung immer um eine bestimmte Auswahl von Fällen. Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zur Rekrutierung von potentiellen Interviewpartner_innen an (vgl. Kruse, 2013; Przyborski, 2014):

Es wird jemand angesprochen, der wiederum andere ansprechen soll, die wiederum andere ansprechen sollen etc., um jemanden zu finden, der im Hinblick auf die Sampling-Überlegungen passend sein könnte. Es ist jedoch zu beachten, dass mit dieser Strategie gewisse soziale Bereiche womöglich nicht erfasst werden können und es zu systematischen Verzerrungen kommen könnte.

Es werden Multiplikatoren oder Gatekeeper ( „Türsteher“), d.h. Personen die über viele Kontakte bzw. ein großes Netzwerk verfügen, gebeten, passende Interviewpersonen in einer Institution/Organisation herauszufinden/anzusprechen. In der Regel wird diesen Personen vertraut und daher könne diese besser zur Teilnahme motivieren. Die Strategie ist jedoch nicht unproblematisch, da Gatekeeper oder Multiplikatoren natürlich auch eine Selektion vornehmen können, um z.B. ihr Unternehmen in ein besonders gutes Licht zu rücken.

Es werden über Telefonbuch, Internetpräsenzen (Websiten, Mailing-Listen, Foren), Anzeigen in Zeitschriften oder einschlägigen Foren, Pick-up (direktes Ansprechen vor Ort) passende Interviewpersonen gesucht.

Es werden verschiedene Strategien gleichzeitig bzw. nacheinander verfolgt, um einerseits möglichst unterschiedliche Interviewpersonen zu erreichen (Heterogenität sichern) und um andererseits mögliche Verzerrungen durch einzelne Strategien auszugleichen.

Bekannte oder befreundete Personen sollten nur in Ausnahmefällen rekrutiert werden, da aufgrund des Naheverhältnisses davon auszugehen ist, dass diese Interviewpartner_innen dem Verhältnis und gemeinsamen Erfahrungswissen entsprechend, angepasst antworten, d.h. z.B. einige Dinge nicht ansprechen, da sie als selbstverständlich angenommen werden. Zudem ist die Anonymität beeinträchtigt und auch bei der Interpretation ist man befangen. Ausnahmen wären z.B. Probeinterviews bzw. ein Pretest des Leitfadens. Befangenheit könnte u.U. auch reduziert werden, wenn jemand anderer im Forschungsteam die rekrutierte Person interviewen und die Interpretation vornehmen würde.

Grundlagen: Kontaktaufnahme

Durch die erste Kontaktaufnahme mit den potenziellen Interviewpartner_innen wird bereits die Basis für die soziale Beziehung im Interview aufgebaut. Diese beinhaltet daher nicht nur die Art der Festlegung der Kommunikation (telefonisch, schriftlich, persönlich), sondern auch erste Informationen über die Umwelt des sozialen Feldes, die einen wichtigen Bestandteil der Analyse des sozialen Systems der Befragten darstellen. Im Zuge der ersten Kontaktaufnahme sollte die kontaktierte Person jedenfalls über folgende Punkte informiert werden (vgl. Froschauer/Lueger, 2003; Przyborski, 2014):

  • Kurzvorstellung Ihrer Person bzw. Institution
  • Kurzvorstellung des Projekts (Ziel und Zweck der Untersuchung)
  • Warum wurde gerade diese Person ausgewählt/kontaktiert?
  • Welche Erwartungen hat man an die kontaktierte Person und inwiefern könnte die Untersuchung auch im Interesse der Person sein?
    • Zeitlicher Rahmen
    • Einverständnis bezüglich Aufnahme auf Tonträger
    • Zusicherung der Anonymität/ Datenschutz
    • Etwaige Incentives bzw. Feedback über Ergebnisse

Um eine mögliche Vorstrukturierung der Interviews zu vermeiden, empfiehlt es sich möglichst wenig über das persönliche Erkenntnisinteresse zu erzählen. Auch das Versenden des eigentlichen Leitfadens sollte nach Möglichkeit vermieden werden, da dies das Gespräch sehr beeinflussen und vorstrukturieren würde. Es empfiehlt sich, bei Nachfrage gewisse inhaltliche Themen bekanntzugeben und weniger konkrete Fragen preiszugeben.

Falls die Kontaktaufnahme per E-Mail erfolgt, hat es sich bewährt bei Zusage dem Antwortschreiben auch die Einverständniserklärung beizulegen. V.a. im Falle von telefonischen bzw. Online-/Interviews empfiehlt sich diese Vorgehensweise, da in diesem Fall der Versand UND die Retournierung der (unterschriebenen) Einverständniserklärung noch VOR dem eigentlichen Interviewtermin erfolgen sollte

Grundlagen: Einverständniserklärung

In der Regel ist im Zuge einer Forschungs- bzw. akademischen Abschlussarbeit immer eine informierte Einwilligung aller Teilnehmenden erforderlich. Dies sollte nach Möglichkeit, zur Absicherung aller Parteien, immer schriftlich erfolgen. In Ausnahme wäre auch eine mündliche Einwilligung denkbar, diese sollte jedoch audioaufgezeichnet werden.

Eine Einverständniserklärung sollte die folgenden Punkte enthalten:

  • Zweck des Interviews.
  • Kurze Beschreibung des Forschungsprojektes.
  • Hinweis, dass die Teilnahme freiwillig ist, verweigert werden kann bzw. jederzeit abgebrochen werden kann, ohne dass daraus Nachteile entstehen.
  • Informationen zu Datenschutz und Anonymisierung, z.B., dass
    • die Informationen vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben werden,
    • die Daten anonymisiert bzw. pseudonymisiert werden, dass keine Rückschlüsse auf die Person getroffen werden können
    • die Aufnahmen nach Beendigung des Forschungsprojektes/ der Qualifizierungsarbeit gelöscht werden (Achtung: an Hochschulen gelten u.U. individuelle Fristen für die Aufbewahrung der verwendeten Rohdaten für Abschlussarbeiten. Bitte erkundigen Sie sich diesbezüglich bei Ihrer/m Betreuer_in.)
    • auf die DSGVO hingewiesen wird und die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann.

Einverständnis durch Unterschrift, dass das Interview aufgezeichnet werden darf, und erst danach aufnehmen!
Ein Muster für eine Einwilligungserklärung, die auch die zusätzlichen Anforderungen bez. der aktuellen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) enthält, finden Sie hier (Stand: Juli 2020).

  • Einige Interviewpartner_innen stehen der Unterzeichnung einer Einverständniserklärung womöglich skeptisch gegenüber. Hier empfiehlt es sich besonders sensibel vorzugehen und die Inhalte der Einverständniserklärung gut zu erklären bzw. mit einfachen Worten zu „übersetzen“. Meist hilft es, zu verdeutlichen, dass es vorrangig um den Schutz der/des Interviewpartners/-in selbst geht, damit ihre/seine Daten ausschließlich im Rahmen des Projektes verwendet werden können und nicht weitergegeben werden dürfen. Es empfiehlt sich auch zu erklären, warum das Interview aufgezeichnet wird, z.B. „weil ich nicht so schnell alles mitschreiben kann und damit ich mich besser auf das Gespräch konzentrieren kann“ und nochmals zu betonen, dass keine Namen genannt werden und jederzeit abgebrochen werden kann.
  • Achten Sie auch darauf, dass Ihre Einverständniserklärung die wichtigsten Eckpunkte enthält (s.o.), aber trotzdem nicht zu lange wird (da dies auch abschreckend wirken könnte).
  • Nehmen Sie Einverständniserklärungen immer in doppelter Ausführung mit. Ein Exemplar sollte bei der/dem Interviewpartner_in bleiben.
  • Es empfiehlt sich auf die Einverständniserklärung auch Ihre Kontaktdaten zwecks Rückfragen und Erreichbarkeit nach dem Interview anzugeben. Alternativ kann auch ein Informationsschreiben (Studieninformation) beigelegt werden, in dem das Forschungsprojekt näher beschreiben wird und Ihre Kontaktdaten enthalten sind. Falls vorhanden, können Sie auch Ihre Visitenkarte beilegen.

Grundlagen: SETTING UND RÄUMLICHKEITEN

Im Zuge der Vorbereitung ist es auch wesentlich über den Interviewort nachzudenken, da je nach Ort evtl. auch unterschiedliche Vorkehrungen getroffen werden müssen. Es kommen z.B. folgende Möglichkeiten als Erhebungsort in Frage:

  • Privates Umfeld, z.B. Wohnung der/des Interviewpartnerin/-s
  • Institution, die für den Interviewten Bedeutung hat, z.B. Betrieb, Organisation, im dem/der die Person angestellt ist.
  • Institution, in der die/der Forscherin/-r beschäftigt ist, z.B. im Büro oder Seminarraum der Forschungsinstitution).
  • Öffentlicher Raum, z.B. im Park oder in einer stillen Ecke in einem Kaffeehaus (wobei dies aufgrund möglicher Geräuschkulissen immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Es ist daher auf eine gute Aufnahmequalität zu achten).
  • Privates Umfeld der/des Forscherin/-s.

Zentrales Auswahlkriterium bei der Bestimmung des Erhebungsortes ist die Berücksichtigung von Quantität und Qualität des zu erwartenden Gesprächs. Eine Grundvoraussetzung ist es daher, eine für die/den Interviewpartner_in möglichst angenehme und störungsfreie Umgebung zu suchen. Es empfiehlt sich daher den Erhebungsort schon im Vorfeld anzusprechen bzw. auch gezielt nach Präferenzen zu fragen. Je nach Forschungsfrage und Umstand können bestimmte Umgebungen Vor- oder Nachteile für das Gespräche mit sich bringen. Dies gilt es daher jeweils im Vorfeld individuell auszuloten.

Um eine möglichst angenehme Atmosphäre zu schaffen, können auch dem Rahmen entsprechend Getränke oder Knabbereien/Snacks bereitgestellt werden. Wichtig ist es, der/dem Interviewpartner/-in seine ungeteilte Zuwendung und Aufmerksamkeit zu signalisieren. Dazu gehört auch entsprechend viel Zeit für das Interview anzuberaumen, d.h. auch, dass man auch nach dem Interview auch noch genügend Zeit einplant, um u.a. offene Fragen zu beantworten oder um sich notwendige Notizen zu machen. Grundsätzlich hat es sich bewährt den Interviewpartnern anzukündigen, dass Sie sich ca. eine Stunde Zeit nehmen sollen. Natürlich können Interviews, je nach Situation und Gegebenheit auch entsprechend kürzer oder länger dauern.

Das Interview im gewohnten Umfeld der interviewten Person abzuhalten, kann auch den Vorteil haben, zusätzliche wichtige Einblicke in das Umfeld des Interviewten zu erhalten (z.B. kann man u.U. über gewisse Symbole, Gegenstände oder Verhaltensweisen auch etwas über das Betriebsklima erfahren). Diese Eindrücke sollten möglichst schriftlich festgehalten werden, da sie im Zuge der Datenauswertung und Interpretation relevant sein können.

Grundlagen: Aufnahme(-technik)

In Methodenbüchern ist grundsätzlich sehr wenig Konkretes bzw. Aktuelles zur Aufnahmetechnik von Gesprächen zu finden. Es empfiehlt sich daher, sich auch über einschlägige Websiten über geeignete Aufnahmegeräte bzw. -technik zu informieren (z.B. https://www.audiotranskription.de/).

Gleichgültig, welche technische Lösung man wählt, ist auf Folgendes im Vorfeld zu beachten:

  • Eignet sich die Umgebung für eine gute Qualität der Aufzeichnung (stille Räume bevorzugen, Fenster und Türen schließen, potenzielle Lärmquellen ausschalten, Smartphones lautlos schalten)?
  • Aufnahmespektrum und Klangqualität des Geräts oder der Software im jeweiligen Setting/Raum vorab testen! Die Qualität muss jedenfalls so gut sein, dass das Gespräch im Anschluss wortwörtlich transkribiert werden kann. (Im Fall von Mehrpersonengesprächen kann der Einsatz eines zusätzlichen externen Mikrofons von Vorteil sein.)
  • Wird ein gängiges Speicherformat (MP3, MP4, WAV, WMA) je nach Transkriptionssoftware, die im Anschluss verwendet wird, angeboten?
  • Ausreichender Speicher muss je nach Speicherformat vorhanden sein!
  • Ausreichender Akku bzw. volle Batterien und Ersatzbatterien (beim Einsatz von älteren digitalen Aufnahmegeräten) bzw. ein Ersatzgerät soll bereitgestellt sein!
  • Ist das Aufnahmegerät richtig positioniert (das Mikrofon ist auf die/den Interviewpartner_in ausgerichtet und steht möglichst auf festem Untergrund)?
  • Ist man mit der Handhabung des Geräts bzw. der Software gut vertraut? Hier bietet es sich an im Vorfeld alle Funktionen zu testen. Es kann u.U. für den Gesprächsverlauf sehr störend und ablenkend sein, wenn der Fokus zu lange auf die Technik bzw. das Gerät gelenkt ist. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass das Gerät bzw. die Software auch tatsächlich das Gespräch durchgehend aufzeichnet.
  • Falls Sie die Möglichkeit haben, sollten Sie Ihr Aufnahmegerät immer schon vorab im jeweiligen Setting/ Raum testen. Die Qualität der Aufnahme, kann z.B. durch eine schlechte Raumakustik mitunter sehr beeinträchtigt werden. Auch unmittelbar vor dem Interview sollte nochmals ein kurzer Test erfolgen.
  • Achten Sie auf mögliche Hintergrundgeräusche oder Geräusche, die das Gespräch überlagern könnten, d.h. es sollte möglichst nichts in der Nähe des Aufnahmegerätes platziert werden (z.B. Papierrascheln, Getränke, etc.) Beim Anbieten von Knabbereien ist außerdem darauf zu achten, dass diese auch störende Geräusche verursachen können (z.B. Chips)

Die Aufnahme eines Online-Interviews kann grundsätzlich über die im Zuge des Interviews benutzte Software erfolgen (z.B. Teams, Skype, Zoom). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von kostenlos zum Download verfügbaren Audio- (z.B. Audacity) bzw. Video-Recordern (z.B. Camtasia, OBS Studio, Camstudio). Es empfiehlt sich vor der Installation jeweils aktuelle Testberichte und Bewertungen zu lesen. Zusätzlich ist zu beachten, dass die verwendete Software auch der DSGVO entsprechen muss.

Die Aufnahme eines Telefongesprächs kann grundsätzlich über diverse Apps direkt über das Smartphone erfolgen, wobei jedoch rechtliche Aspekte (z.B. Einhaltung der DSGVO) und auch praktische Aspekte im Hinblick auf die Handhabung zu beachten sind. Wir raten daher grundsätzlich davon ab, Gespräche mit dem Smartphone aufzuzeichnen, da diese oft (über Apps) mit anderen z.B. Cloud-Diensten vernetzt sind und eine dementsprechende Gefahr besteht, dass die Daten nicht DSGVO-konform gespeichert werden bzw. für Dritte zugänglich sind.

Sowohl die technischen Möglichkeiten der Aufnahme als auch die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen einem stetigen Wandel. Bitte informieren Sie sich daher diesbezüglich immer über den aktuellen Stand bzw. halten Sie mit Ihrer Betreuung bzw. Forschungsteam Rücksprache.

Testen Sie Ihr Wissen zur Interviewvorbereitung

Überprüfen Sie anhand von sechs Fragen, ob Sie wissen, wie Sie ein qualitatives Interview am besten vorbereiten. Sie können das Quiz so oft Sie wollen wiederholen.

Welche Art der Information sollten Sie im Zuge der Kontaktaufnahme über Ihr Forschungsprojekt bekannt geben?
Welches Aufnahmegerät eignet sich am besten für die Aufnahme eines Interviews?
Worauf ist bei der Organisation des geeigneten Interviewraums/-setting vorrangig zu achten?
Welche Rekrutierungsstrategie eignet sich für Leitfadeninterviews am besten?
Wie gehen Sie vor, wenn ein/e Interviewpartner_in die Einverständniserklärung nicht unterschreiben will?
Welcher der folgenden Punkte muss nicht zwingend in einer Einverständniserklärung vorhanden sein:
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Checkliste: Interviewvorbereitung

Literatur

Froschauer, Ulrike/Lueger, Manfred (2003). Das qualitative Interview – zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme. Wien: WUV Universitätsverlag (UTB). 

Kruse, Jan (2004). Reader zum Seminar „Einführung in die qualitative Sozialforschung/Biografieforschung“. Freiburg: o.V. Online

Kruse, Jan (2020). Stichwortartikel zu Qualitative Rekrutierungsverfahren. In Friedrich Dorsch/Markus Antonius Wirtz/Hartmut O. Häcker/Kurt Stapf (Hrsg.). Dorsch – Lexikon der Psychologie (19., überarbeitete Auflage) Bern: Huber.

Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2014). Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). München: Oldenbourg.

Triangulation

 „Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte. Weiterhin bezieht sie sich auf die Kombination unterschiedlicher Datensorten jeweils vor dem Hintergrund der auf die Daten jeweils eingenommenen theoretischen Perspektiven. Diese Perspektiven sollten so weit als möglich gleichberechtigt und gleichermaßen konsequent behandelt und umgesetzt werden. Durch die Triangulation (etwa verschiedener Methoden oder verschiedener Datensorten) sollte ein prinzipieller Erkenntniszuwachs möglich sein, dass also bspw. Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden, die damit weiter reichen, als es mit einem Zugang möglich wäre.“ (Flick, 2011, S.12)

Flick, Uwe. (2011) Triangulation. 3., Aktualisierte Auflage ed. Wiesbaden: VS Verlag Für Sozialwissenschaften.

Flexibilität

Aufgrund der Elastizität und Flexibilität werden qualitative Verfahren gelegentlich als weiche Methoden im Gegensatz zu den harten oder starren quantitativen Methoden bezeichnet. Häufig wurde dies auch im Sinne einer geringeren Gültigkeit oder Qualität der qualitativen Verfahren missverstanden.

Auch die/der qualitative bzw. explorative Forscher/in führt eine Untersuchung nicht plan- und richtungslos durch, sondern es bedeutet, dass der Blickwinkel zunächst weit ist und erst im Verlauf der Untersuchung fortschreitend zugespitzt wird.

Reflexivität von Gegenstand und Analyse

In interpretativen Prozessen wird den Bedeutungen von menschlichem Verhalten eine prinzipielle Reflexivität unterstellt. Dies gilt sowohl für sprachliches (Symbole, Deutungen, Sprechakte) als auch für nonverbales Verhalten (Gesten, Handlungen usw.).

Da jede Bedeutung reflexiv auf das Ganze verweist, wird die Bedeutung eines Handelns oder eines sprachlichen Ausdrucks nur durch den Rekurs auf den symbolischen oder sozialen Kontext seiner Erscheinung verständlich. Im Sinne der hermeneutischen Zirkularität von Sinnzuweisung und Sinnverstehen setzt somit ein Verständnis der Einzelakte bzw. des Verhaltens immer ein Verständnis des Kontextes voraus.

Die Reflexivität der Methode setzt daher auch eine reflektierte Einstellung der/des Forschenden sowie die Anpassungsfähigkeit seiner Untersuchungsmethoden und -instrumente voraus.

ZIRKULARITÄT DES FORSCHUNGSPROZESSES

Der Forschungsprozess in der qualitativen Sozialforschung ist zirkulär. Damit ist gemeint, dass eine bestimmte Folge von Forschungsschritten mehrmals durchlaufen wird, und der jeweils nächste Schritt von den Ergebnissen des jeweils vorherigen Schrittes abhängt. Es werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant, weil jeder der Forschungsschritte Konsequenzen nach vorne (für das weitere Vorgehen) und nach hinten (Modifikation der Fragestellung) haben kann. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen (Erhebungsverfahren, Samplingentscheidungen, Auswertungsverfahren, etc.) vorläufig getroffen werden. Zu Beginn der Forschung liegt nur ein ungefähres Vorverständnis über den Forschungsgegenstand vor. Auf dieser Basis werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant.

Offenheit

Das Prinzip der Offenheit bedeutet Offenheit der Forschenden gegenüber

  1. den Untersuchungspersonen,
  2. den Untersuchungssituationen und
  3. den Untersuchungsmethoden. 


Qualitative Sozialforschung versteht sich im Gegensatz zur quantitativen Vorgehensweise nicht als Hypothesen prüfendes, sondern als Hypothesen generierendes Verfahren. Qualitativ Forschende versuchen also nicht Theorien, Konzepte oder Ideen an der Wirklichkeit zu bestätigen oder zu widerlegen, sondern Neues zu entdecken. Der Hypothesenentwicklungsprozess wird bei der Anwendung qualitativer Verfahren damit erst zu Ende des Forschungsvorhabens abgeschlossen. Die Forschenden sollen daher so offen wie möglich gegenüber neuen Entwicklungen sein, damit diese auch in die Hypothesengenerierung einfließen können.

Die Forschenden sollen offen für mögliches Neues sein und sich nach Möglichkeit auch nicht vorab informieren, d.h. sehr bewusst mit einer naiven Haltung ins Feld gehen.