Interviewdurchführung

Lernziele

Dieser Teil ist das Herzstück unseres Qualitorials. Wir zeigen anhand unseres Forschungsbeispiels, wie man ein Interview durchführt und worauf man dabei achten muss.

Lernziele

  • Die Gesprächsbedingungen und den Interviewraum optimal vorbereiten können.
  • Die verschiedenen Phasen im Interview kennen und meistern.
  • Fallstricke im qualitativen Interview kennen und vermeiden.

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: Gesprächsbedingungen & Raum vorbereiten

Im diesem 360° Interviewraum sind 7 Fehler versteckt, die Sie als Vorbereitung zum eigentlichen Interview finden müssen. ℹ️

Sie können den Raum auch im Vollbild öffnen.  

CHECKLISTE: GESPRÄCHSBEDINGUNGEN & RAUM VORBEREITEN

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: INTERVIEWFÜHRUNG

Eine gute Interviewführung ist eine wichtige Basis um qualitativ hochwertige Daten zu gewinnen. Hier zeigen wir Ihnen die drei Gesprächsphasen eines Interviews: Gesprächseinstieg – Hauptteil – Gesprächsabschluss und typische Situationen eines Interviews. Dazwischen hören Sie Reflexionen und Kommentare, um eine gute Interviewführung zu trainieren.

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: VOR DEM INTERVIEW

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: GESPRÄCHSEINSTIEG

(Videodauer: ca. 6:30 Minuten)

DO’S AND DON’TS GESPRÄCHSEINSTIEG

Stellen Sie ein gutes Gesprächsklima her:

  • Small Talk führen (ich habe gut hergefunden. Interessantes Gebäude, Gegend, … Interesse zeigen)
  • Aufwärmen; Beziehung aufbauen; aber Achtung nicht „verhabern“, sonst fehlende Distanz!
  • Stellen Sie Thema und Ziel der Arbeit vor (aber nicht zu viel verraten!)
  • Begründen Sie die Auswahl Ihrer Interviewpartner_innen:
  • Anzahl, Position, Tätigkeit, … (Warum gerade ich?)
  • Erklären Sie, was in dem Interview wichtig ist („Ihre Ansichten und Meinungen“)
  • Geben Sie die Interviewdauer an
  • Sichern Sie Anonymität zu
  • Erläutern Sie kurz die Einverständniserklärung und lassen Sie diese unterzeichnen
  • Starten Sie die Aufnahme
  • Geben Sie Ihrer/m Interviewpartner_in die Möglichkeit noch Fragen zu stellen.

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: GESPRÄCHSFLUSS STIMULIEREN

DO’S AND DON’TS GESPRÄCHSFLUSS 

  • Paraphrasieren:  Formulieren Sie die vorangegangene Frage um, sodass der Inhalt aber gleich bleibt.
  • Halten Sie lange Pausen aus, um Antworten zu „erzwingen“.
  • Nachfragen: eventuell ist auch konkreteres Nachfragen erforderlich.

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: FLEXIBLE UND OFFENE INTERVIEWFÜHRUNG

DO’S AND DON’TS FLEXIBLE UND OFFENE INTERVIEWFÜHRUNG

  • Versuchen Sie den Leitfaden „loszulassen“; besser: vor dem Interview gut verinnerlichen und nur zur Orientierung verwenden!
  • Versuchen Sie situativ auf Ihre/n Interviewpartner_in zu reagieren!
  • Stellen Sie keine Suggestivfragen; besser: viele Nachfragen vorbereiten/durchdenken um dann eine passende parat zu haben!

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: IMPULSUNTERDRÜCKUNG

  • Nonverbale Signale beeinflussen das Gegenüber und den Gesprächsfluss, setzen Sie diese daher gezielt ein bzw. achten Sie auf Ihre Körpersprache!
  • Antworten, wie z.B. „Verstehe.“ „OK.“ „Aha.“ sind positive Signale und können immer eingesetzt werden.

Positive Signale

Negative Signale

DER FORSCHUNGSPRAXIS: FRAGESTILE

DO’S AND DON’TS FRAGESTILE

  • Vermeiden Sie mehrere Fragen hintereinander zu formulieren bzw. mehrere Aspekte in eine Frage zu bringen
  • Formulieren Sie eindeutige Fragen!
  • Vermeiden Sie geschlossene (Ja/Nein-) Fragen!
  • Vermeiden Sie Suggestivfragen!

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: REDEN LASSEN

DO’S AND DON’TS REDEFLUSS

  • Wenn die Interviewpartner_innen länger vom Thema abschweifen, höflich und wertschätzend unterbrechen und zur Frage zurückführen.
  • Pausen können ein Zeichen des Nachdenkens oder ein Zeichen von Unsicherheit sein, ob weitergesprochen werden soll. Längere Pausen „gewöhnen“ die Erzählperson daran, die Last der Erzählung allein zu tragen. Als Interviewende ist es daher wichtig, Pausen zu ertragen.

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: GESPRÄCHSABSCHLUSS UND NACHGESPRÄCH

DO’S AND DON’TS GESPRÄCHSABSCHLUSS

  • Stellen Sie Faktenabfragen, wie soziodemographische Daten der Interviewpartner_innen oder allgemeine Fragen zum Unternehmen besser ganz am Ende!
  • „Tür und Angel-Gespräche“ enthalten oft wichtige Daten für die Analyse und Interpretation. Halten Sie diese  unmittelbar nach dem Interview in einem Interviewprotokoll fest!

WAS MACHE ICH WENN …?

Ich versuche diese Situation zu vermeiden, indem ich das Gerät am selben Tag teste und Ersatzbatterien/-akkus mitbringe. In seltenen Fällen, in denen das Gerät wirklich defekt ist, empfiehlt es sich nach Möglichkeit den Termin zu verschieben oder möglichst viel mitzuschreiben. Das Problem bei letzterer Variante ist, dass das Interview für die Analyse nicht ergiebig genug bzw. zu ungenau sein wird bzw. ich mich als Interviewer_in auch nicht gut auf das Gespräch konzentrieren kann, worunter generell die Qualität des Interviews leiden wird.

Ich pausiere entsprechend der Unterbrechung und versuche dann wieder auf die Fragestellung bzw. die Antwortpassage zurückzulenken.

Es empfiehlt sich möglichst viel mitzuschreiben. Das Problem dabei ist, dass das Interview für die Analyse nicht ergiebig genug bzw. zu ungenau sein wird bzw. ich mich als Interviewer_in auch nicht gut auf das Gespräch konzentrieren kann, worunter generell die Qualität des Interviews leiden wird. Dies ist bei der Interpretation zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich eine/n weitere/n Interviewpartner_in zu rekrutieren.

Ich versuche zu reflektieren, woran dies liegen könnte (Tabuthema, Beisein anderer, Frageformulierung etc.) und versuche je nachdem die Frage (evtl. zu einem späteren Zeitpunkt) umzuformulieren bzw. mit anderen Worten nochmals zu stellen.

Ich prüfe in erster Linie meinen Fragestil und versuche eindeutige und kurze, aber dennoch offene Fragen zu formulieren. Evtl. handelt es sich auch um ein Tabuthema – es könnte sein, dass mein Interviewpartner_in dann etwas Zeit braucht, um sich zu öffnen. Hier gilt es eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und Interesse zu zeigen (Aktives Zuhören) und Pausen auszuhalten, auch wenn diese unangenehm scheinen.

Das ist durchaus oft der Fall und stellt kein Problem dar! Die Reihenfolge der Fragen ist nicht in Stein gemeißelt und ich sollte immer darauf gefasst sein, möglichst flexibel reagieren zu können. Ich akzeptiere das vorgegebene Thema und stelle dementsprechend meine Nachfragen, um das Thema bzw. die Frage auch genügend auszuschöpfen. Wichtig ist nur, dass ich am Ende alle Fragen bzw. Themen abgedeckt habe.

Es kommt durchaus vor, dass manche Interviews kürzer sind als andere, z.B. sind Telefoninterviews in der Regel kürzer als persönliche Interviews. Ich sollte dennoch reflektieren, woran dies liegen könnte und ob ich evtl. etwas an meinem Verhalten bzw. Fragestil verbessern könnte. Das Interview kann ich trotzdem verwerten. Zu beachten ist aber natürlich, dass es wahrscheinlich aufgrund der Kürze inhaltlich weniger ergiebig sein wird. Evtl. sollte ich noch eine/n zusätzliche/n Interviewpartner_in rekrutieren.

Grundsätzlich gilt, dass ich jede Frage meiner/-s Interviewpartners/-in sehr ernst nehmen und so gut wie möglich beantworten sollte. Dies dient in erster Linie auch dazu, eine gute Beziehung herzustellen. In der Regel ist es aber so, dass diese Fragen zu Beginn, nachdem ich das Projekt nochmals beschrieben habe, gestellt werden. Deshalb ist es auch so wichtig, dass ich vor Beginn des Interviews nochmals nachfrage, ob es noch Fragen gibt bevor wir mit dem Interview beginnen.

Auch unmittelbar nach dem Interview werden oft Fragen zum Projekt gestellt. Meistens geht es hier auch um die Verwertung bzw. die Veröffentlichung von Ergebnissen. Dazu sollte ich mir auf jeden Fall im Vorfeld Gedanken machen. Falls Fragen zum Projekt während des Interviews auftauchen, versuche ich diese, je nach Situation, entweder sehr kurz zu beantworten und wieder auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen oder ich notiere mir die Frage mit der Bemerkung, dass ich diese und andere Fragen gerne am Ende beantworten werde.

Ich nehme mir unmittelbar nach dem Interview genügend Zeit, um alle Ihre Eindrücke und v.a. alles, das ich nicht aufgenommen habe, so gut wie möglich zu notieren (Interviewprotokoll). Diese Notizen werde ich dann im Rahmen der Analyse bzw. der Interpretation der Daten miteinbeziehen.

Literatur

Flick, Uwe (2016). Qualitative Sozialforschung: eine Einführung (7.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 

Froschauer, Ulrike/Lueger, Manfred (2003). Das qualitative Interview – zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme. Wien: WUV Universitätsverlag (UTB). 

Helfferich, Cornelia (2011). Die Qualität qualitativer Daten: Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2014). Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). München: Oldenbourg.

Anleitung 3D Raum

Nutzen Sie Ihre Maus um mittels Drag and Drop innerhalb der 360° Umgebung zu navigieren.

Wenn ein Gegenstand eine Klick-Aktion anbietet, wird die entsprechende Stelle beim Überfahren mit dem Mauszeiger hervorgehoben. Ein paar Gerätschaften blinken oder halten eine kaum sichtbare Animation bereit – eventuell ist das auch ein Zeichen für eine mögliche Interaktion? 
Viel Spaß beim Suchen!

Triangulation

 „Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte. Weiterhin bezieht sie sich auf die Kombination unterschiedlicher Datensorten jeweils vor dem Hintergrund der auf die Daten jeweils eingenommenen theoretischen Perspektiven. Diese Perspektiven sollten so weit als möglich gleichberechtigt und gleichermaßen konsequent behandelt und umgesetzt werden. Durch die Triangulation (etwa verschiedener Methoden oder verschiedener Datensorten) sollte ein prinzipieller Erkenntniszuwachs möglich sein, dass also bspw. Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden, die damit weiter reichen, als es mit einem Zugang möglich wäre.“ (Flick, 2011, S.12)

Flick, Uwe. (2011) Triangulation. 3., Aktualisierte Auflage ed. Wiesbaden: VS Verlag Für Sozialwissenschaften.

Flexibilität

Aufgrund der Elastizität und Flexibilität werden qualitative Verfahren gelegentlich als weiche Methoden im Gegensatz zu den harten oder starren quantitativen Methoden bezeichnet. Häufig wurde dies auch im Sinne einer geringeren Gültigkeit oder Qualität der qualitativen Verfahren missverstanden.

Auch die/der qualitative bzw. explorative Forscher/in führt eine Untersuchung nicht plan- und richtungslos durch, sondern es bedeutet, dass der Blickwinkel zunächst weit ist und erst im Verlauf der Untersuchung fortschreitend zugespitzt wird.

Reflexivität von Gegenstand und Analyse

In interpretativen Prozessen wird den Bedeutungen von menschlichem Verhalten eine prinzipielle Reflexivität unterstellt. Dies gilt sowohl für sprachliches (Symbole, Deutungen, Sprechakte) als auch für nonverbales Verhalten (Gesten, Handlungen usw.).

Da jede Bedeutung reflexiv auf das Ganze verweist, wird die Bedeutung eines Handelns oder eines sprachlichen Ausdrucks nur durch den Rekurs auf den symbolischen oder sozialen Kontext seiner Erscheinung verständlich. Im Sinne der hermeneutischen Zirkularität von Sinnzuweisung und Sinnverstehen setzt somit ein Verständnis der Einzelakte bzw. des Verhaltens immer ein Verständnis des Kontextes voraus.

Die Reflexivität der Methode setzt daher auch eine reflektierte Einstellung der/des Forschenden sowie die Anpassungsfähigkeit seiner Untersuchungsmethoden und -instrumente voraus.

ZIRKULARITÄT DES FORSCHUNGSPROZESSES

Der Forschungsprozess in der qualitativen Sozialforschung ist zirkulär. Damit ist gemeint, dass eine bestimmte Folge von Forschungsschritten mehrmals durchlaufen wird, und der jeweils nächste Schritt von den Ergebnissen des jeweils vorherigen Schrittes abhängt. Es werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant, weil jeder der Forschungsschritte Konsequenzen nach vorne (für das weitere Vorgehen) und nach hinten (Modifikation der Fragestellung) haben kann. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen (Erhebungsverfahren, Samplingentscheidungen, Auswertungsverfahren, etc.) vorläufig getroffen werden. Zu Beginn der Forschung liegt nur ein ungefähres Vorverständnis über den Forschungsgegenstand vor. Auf dieser Basis werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant.

Offenheit

Das Prinzip der Offenheit bedeutet Offenheit der Forschenden gegenüber

  1. den Untersuchungspersonen,
  2. den Untersuchungssituationen und
  3. den Untersuchungsmethoden. 


Qualitative Sozialforschung versteht sich im Gegensatz zur quantitativen Vorgehensweise nicht als Hypothesen prüfendes, sondern als Hypothesen generierendes Verfahren. Qualitativ Forschende versuchen also nicht Theorien, Konzepte oder Ideen an der Wirklichkeit zu bestätigen oder zu widerlegen, sondern Neues zu entdecken. Der Hypothesenentwicklungsprozess wird bei der Anwendung qualitativer Verfahren damit erst zu Ende des Forschungsvorhabens abgeschlossen. Die Forschenden sollen daher so offen wie möglich gegenüber neuen Entwicklungen sein, damit diese auch in die Hypothesengenerierung einfließen können.

Die Forschenden sollen offen für mögliches Neues sein und sich nach Möglichkeit auch nicht vorab informieren, d.h. sehr bewusst mit einer naiven Haltung ins Feld gehen.