Methodenwahl

Lernziele

Nachdem wir uns auf eine Forschungsfrage festgelegt haben, beschäftigen wir uns nun mit der Wahl der Methode. Wir unterscheiden dabei zwischen Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Das Feld der qualitativen Forschung bietet ein weites Spektrum an Möglichkeiten.

In diesem Teil zeigen wir:

  • Welche Erhebungsmethoden gibt es?
  • Welche Auswertungsmethoden gibt es?
  • Wie wähle ich die für meine Forschungsfrage passenden Methoden aus?

Wir haben uns entschieden, für das Qualitorial eine Auswahl an Erhebungs- und Auswertungsmethoden vorzustellen. Diese Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unser Ziel war es, die praktische Anwendung der Methoden zu zeigen, d.h. hier in erster Linie einen Überblick über verschiedene Erhebungs- und Auswertungsmethoden zu geben; Details zur Durchführung der jeweiligen Methoden sind der weiterführenden Literatur zu entnehmen. Nähere Details zur praktischen Anwendung von Leitfadeninterviews, als zentrales Praxisbeispiel dieses Qualitorials, finden Sie in den Teilen Leitfadenentwicklung, Interviewvorbereitung  und Interviewdurchführung.

Grundlagen: AUSWAHL AN ERHEBUNGS- & AUSWERTUNGS­METHODEN

(Einzel-)Interview

Personen aus dem Forschungsfeld werden mündlich befragt. Es werden Texte durch Kommunikation erhoben.

Das Vorgehen hängt von der Fragestellung ab: „So viel Offenheitℹ️ wie möglich, soviel Strukturierung wie nötig.“ (Helfferich, 2011).

Im Mittelpunkt qualitativer Interviews steht die Frage, was die befragte Person als relevant erachtet.

Ressourcen

IN DER FORSCHUNGSPRAXIS: PASSENDE METHODEN FÜR EINE KONKRETE FORSCHUNGSFRAGE AUSWÄHLEN

Überlegen Sie mit uns: Welche Methoden passen zu unserer Forschungsfrage? Warum? Und warum nicht?

forschungsfrage

Welche Erhebungsmethoden passen besonders zu dieser Forschungsfrage? ​

Passende Erhebungsmethoden: Grounded Theory, Expert_inneninterviews, Fokusgruppen, Leitfadeninterviews

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Die Grounded Theory ist eine passende Forschungsmethode für unsere Forschungsfrage, weil …

… die Methode eine sehr offene und tiefgehende Herangehensweise hat. So kann ein sehr dichtes Bild gezeichnet werden, wie Personen Personalentwicklungsmaßnahmen wahrnehmen.

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Die Grounded Theory ist eine schwierige Erhebungsmethode für dieses Forschungsprojekt, weil …

… die Anwendung sehr zeitintensiv ist, die Erhebung weniger planbar und daher evtl. schwierig zu mit den Fristen für die Abgabe der Arbeit zu vereinbaren ist.

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Expert_inneninterviews mit Personalverantwortlichen ist eine passende Erhebungsmethode für dieses Forschungsprojekt, weil …

… diese einen guten Einblick in die Personalentwicklungsmaßnahmen ihres Unternehmens haben.

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Expert_inneninterviews mit Personalverantwortlichen ist eine schwierige Erhebungsmethode für dieses Forschungsprojekt, weil …

… die Forschungsfrage nach der Perspektive der Arbeitnehmer_innen verlangt. Expert_inneninterviews mit Personalverantwortlichen würden zeigen wie die Personalverantwortlichen denken. Sie könnten nur über Hören-Sagen sagen, was die Arbeitnehmer_innen darüber denken. Besonders die Gründe würde man hier nicht direkt von den Betroffenen hören.

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Fokusgruppen mit Betroffenen sind passend für dieses Forschungsprojekt, weil …

… man auf einmal viele Meinungen erheben kann, und weil sich die Teilnehmer_innen dann gleich darüber austauschen können.

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Fokusgruppen mit Betroffenen können schwierig sein für dieses Forschungsprojekt, weil …

… wenn die Teilnehmer_innen aus verschiedenen Unternehmen kommen, sie vermutlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, und es vielleicht schwierig ist darüber ein gemeinsames Gespräch zu führen.

Aus praktischen Gründen ist es außerdem oft schwierig, einen Termin zu finden an dem alle Teilnehmer_innen ausreichend Zeit haben.

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Leitfadeninterviews mit Betroffenen sind passend für dieses Forschungsprojekt, weil …

… aus der Perspektive eines/r Betroffenen persönliche Erfahrungen und Meinungen erhoben werden können. Damit können die Forschungsfragen gut beantwortet werden.

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Wie viele Interviewpartner_innen sollten befragt werden?

Die Anzahl an Interviews hängen von den Vorgaben und den Ressourcen ab.

Weitere Informationen finden Sie dazu im Qualitorial Teil Sampling.

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Wie kann ich die Interviewpartner_innen rekrutieren?

Beispielsweise über persönliche Kontakte zu Bekannten und Freund_innen können Interviewpartner_innen gefunden werden.

Weitere Informationen finden Sie dazu im Qualitorial Teil Interviewvorbereitung.

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Ist es empfehlenswert die Interviews in der eigenen Organisation zu führen?

Nein, das Führen von qualitativen Interviews in der eigenen Organisation ist weniger zu empfehlen, weil dann womöglich eigenen Annahmen über die Organisation stark hineinspielen. Es ist sehr schwierig die nötige Distanz hast als Interviewer_in in der eigenen Organisation aufzubringen.

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Welche Auswertungsmethoden passen besonders zur Forschungsfrage und Leitfadeninterviews als Erhebungsmethode?

Passende Auswertungsmethoden: Themenanalyse, Inhaltsanalyse, Dokumentarische Methode, Rekonstruktiv-hermeneutische Methode.

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Die rekonstruktiv-hermeneutische Methode ist passend für dieses Forschungsprojekt, weil …

… mit dieser Methode der Text sehr intensiv analysiert werden und in die Tiefe gegangen werden kann. So kann auch hinter die Aussagen geschaut werden.

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Die rekonstruktiv-hermeneutische Methode ist schwierig für dieses Forschungsprojekt, wenn …

… es noch nicht viel Erfahrung in der Textanalyse gibt.

… keine Kolleg_innen für Interpretationsworkshops zur Verfügung stehen.

… nicht viel Zeit für die Analyse zur Verfügung steht.

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Die Themenanalyse ist passend für dieses Forschungsprojekt, weil …

… die Forschungsfrage mehr auf Themen und Inhalte und weniger auf latente Sinnstrukturen fokussiert.

… weil hier die Themenvielfalt interessant ist.

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CHECKLISTE METHODENWAHL

In der qualitativen Forschung bestimmen sich Gegenstand und Methode immer wechselseitig! Varianten und Kombinationen sind daher immer vor dem Hintergrund der konkreten Forschungsfrage und lediglich als Beispiele und nicht als allgemeingültige Empfehlungen zu verstehen!

Fragen für den Auswahlprozesses der Methode/n:

  • Kann die Erhebungsmethode die wesentlichen Aspekte der Fragestellung erfassen?
  • Ist die Erhebungsmethode für die Zielgruppe geeignet / passend?
  • Ist der für diese Erhebungsmethode erforderliche Zugang zur Zielgruppe / Feld / Material vorhanden?
  • Ist die Erfahrung bzw. der Bezug der Forschenden hinsichtlich Frage / Forschungsfeld hinderlich oder förderlich (–>Selbstreflexion)?
  • Ist die Erhebungs- und Auswertungsmethode mit folgenden Ressourcen des Forschers kompatibel:
    • Zeitliche Ressourcen (einige Methoden sind zeitintensiver als andere, z.B. Grounded Theory)
    • Praktische Erfahrung / Unterstützung bei der Durchführung
    • Finanzielle Ressourcen (z.B. für Reisekosten oder technisches Equipment)
 

Literatur

(Alle Texte beziehen sich zur besseren Nachvollziehbarkeit auf die folgenden genannten Werke, die teilweise auch in einer Online-Version verfügbar sind. Von einigen hier gelisteten Büchern gibt es bereits aktuellere Auflagen.)

Aghamanoukjan, Anahid/Buber, Renate/Meyer, Michael (2009). In Renate Buber/Hartmut Holzmüller (Hrsg.). Qualitative Marktforschung: Konzepte – Methoden – Analysen. Wiesbaden: Gabler415-436. 

Bernhart Ruso (2009). Qualitative Beobachtung. In Renate Buber/Hartmut Holzmüller (Hrsg.). Qualitative Marktforschung : Konzepte – Methoden – Analysen (S. 525–536). Wiesbaden: Gabler.

Bogner, Alexander/Littig, Beate/Menz, Wolfgang (2014). Interviews mit Experten: eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer VS.

Bohnsack, Ralf (2003). Rekonstruktive Sozialforschung: Einführung in die Methodologie und Praxis qualitativer Forschung (5. Aufl). Opladen: Leske + Budrich.

Bohnsack, Ralf/Michel, Burkard/Przyborski, Aglaja (Hrsg.) (2015). Dokumentarische Bildinterpretation: Methodologie und Forschungspraxis. Opladen Berlin Toronto: Verlag Barbara Budrich.

Bohnsack, Ralf/Nentwig-Gesemann, Iris/Nohl, Arnd-Michael (Hrsg.) (2001). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Bourgeault, Ivy Lynn/Dingwall, Robert/De Vries, Raymond G. (Hrsg.) (2010). Focus groups. In The SAGE handbook of qualitative methods in health research 1. Aufl. (S. 327–352). Los Angeles: SAGE.

Boyatzis, Richard E. (1998). Transforming qualitative information: thematic analysis and code development. Thousand Oaks, CA: Sage Publications.

Braun, Virginia/Clarke, Victoria (2006). Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3(2), 77–101.

Braun, Virginia/Clarke, Victoria/Gray, Debra (2017). I’m not with you, yet I am… virtual face-to-face interviews. In Collecting qualitative data: a practical guide to textual, media and virtual techniques Cambridge, UK ; New York, NY: Cambridge University Press.

Buber, Renate/Holzmüller, Hartmut H. (Hrsg.) (2009). Fallstudien als forschungsstrategische Entscheidung. In Qualitative Marktforschung (S. 381–400). Wiesbaden: Gabler.

Dröge, Kai (2020). Qualitative Interviews am Telefon oder online durchführen. QUASUS. 

Flick, Uwe (2011). Triangulation. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Flick, Uwe (2016). Qualitative Sozialforschung: eine Einführung (7.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines (Hrsg.) (2019). Qualitative Forschung: ein Handbuch (13. Auflage, Originalausgabe). Reinbek bei Hamburg: rowohlts enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag. 

Flick, Uwe/Von Kardoff, Ernst/Steinke, Ines (2004)Theoretical Coding: Text analysis in grounded theory. In Companion to Qualitative Research: Paradigms, Theories, Methods, Practice and Contexts. (S. 270–275). London: SAGE Publications.

Froschauer, Ulrike/Lueger, Manfred (2003)Das qualitative Interview – zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme. Wien: WUV Universitätsverlag (UTB). 

Froschauer, Ulrike/Lueger, Manfred (2020). Artefaktenanalyse. In Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie Wiesbaden: Springer. 

Helfferich, Cornelia (2011). Die Qualität qualitativer Daten: Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Hennink, Monique M./Kaiser, Bonnie N./Weber, Mary Beth (2019). What Influences Saturation? Estimating Sample Sizes in Focus Group Research. Qualitative Health Research, 29(10), 1483–1496.

Krippendorff, Klaus (2013). Content analysis: an introduction to its methodology (3rd ed). Los Angeles ; London: SAGE. 

Kruse, Jan (2006). Reader „Einführung in die Qualitative Interviewforschung“. Freiburg: o.V.

Kruse, Jan (2015). Qualitative Interviewforschung: ein integrativer Ansatz (2., überarbeitete und ergänzte Auflage). Weinheim Basel: Beltz Juventa. 

Kuckartz, Udo (2016). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung (3., überarbeitete Auflage). Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Lamnek, Siegfried/Krell, Claudia (2010). Qualitative Sozialforschung: Lehrbuch (5., überarbeitete Auflage). Weinheim Basel: Beltz. 

Lucius-Hoene, Gabriele/Deppermann, Arnulf (2004). Rekonstruktion narrativer Identität: ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews (2. Aufl). Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.

Lueger, Manfred (2009). Grounded Theory. In Renate Buber/Hartmut H. Holzmüller (Hrsg.). Qualitative Marktforschung: Konzepte – Methoden – Analysen Gabler-Lehrbuch. (2., überarb. Aufl) (S. 189–205). Wiesbaden: Gabler. 

Lueger, Manfred/Froschauer, Ulrike (2018). Artefaktanalyse: Grundlagen und Verfahren (1st ed. 2018). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden Imprint: Springer VS.

Mäder, Susanne (2013). Die Gruppendiskussion als Evaluationsmethode – Entwicklungsgeschichte, Potenziale und Formen. Zeitschrift für Evaluation, 12(1), 23–51.

Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12., überarb. Aufl). Weinheim Basel: Beltz. 

Meuser, Michael (2009). Das Experteninterview – konzeptionelle Grundlagen und methodische Anlage. In Susanne Pickel/Gert Pickel/Hans-Joachim Lauth/Detlef Jahn (Hrsg.). Methoden der vergleichenden Politik- und Sozialwissenschaft: Neue Entwicklungen und Anwendungen Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Mirick, Rebecca/Wladkowski, Stephanie (2019). Skype in Qualitative Interviews: Participant and Researcher Perspectives. The Qualitative Report, 24(12), 3061–3072.

Morgan, David L. (1997). Focus groups as qualitative research (2. Aufl.). Thousand Oaks, Calif: Sage Publications.

Poltrum, Martin/Rieken, Bernd/Ballhausen, Thomas (Hrsg.) (2019). Breaking Bad – Im faustischen Rausch der Gewalt. In Zocker, Drogenfreaks & Trunkenbolde: Rausch, Ekstase und Sucht in Film und Serie (S. 387–407). Berlin [Heidelberg]: Springer.

Przyborski, Aglaja (2004). Gesprächsanalyse und dokumentarische Methode: Qualitative Auswertung von Gesprächen, Gruppendiskussionen und anderen Diskursen. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2014). Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). München: Oldenbourg.

Tell, Sandra (2007). Fotografien als Quelle für die qualitative Forschung in der Erziehungswissenschaft.

Schütze, Fritz (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13(3), 283–293.

 Tuma, René/Schnettler, Bernt/Knoblauch, Hubert (2013). Videographie: Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Situationen. Wiesbaden: Springer VS.

Weischer, Christoph/Gehrau, Volker (2017). Die Beobachtung als Methode in der Soziologie. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH.

Wolff (2019). Dokumenten- und Aktenanalyse. In Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines (Hrsg.) (2019). Qualitative Forschung: ein Handbuch (13. Auflage, Originalausgabe).

Yin, Robert K. (2018). Case Study Research and Applications: Design and Methods (6. Aufl.). Los Angeles: Sage.

Triangulation

 „Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte. Weiterhin bezieht sie sich auf die Kombination unterschiedlicher Datensorten jeweils vor dem Hintergrund der auf die Daten jeweils eingenommenen theoretischen Perspektiven. Diese Perspektiven sollten so weit als möglich gleichberechtigt und gleichermaßen konsequent behandelt und umgesetzt werden. Durch die Triangulation (etwa verschiedener Methoden oder verschiedener Datensorten) sollte ein prinzipieller Erkenntniszuwachs möglich sein, dass also bspw. Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden, die damit weiter reichen, als es mit einem Zugang möglich wäre.“ (Flick, 2011, S.12)

Flick, Uwe. (2011) Triangulation. 3., Aktualisierte Auflage ed. Wiesbaden: VS Verlag Für Sozialwissenschaften.

Flexibilität

Aufgrund der Elastizität und Flexibilität werden qualitative Verfahren gelegentlich als weiche Methoden im Gegensatz zu den harten oder starren quantitativen Methoden bezeichnet. Häufig wurde dies auch im Sinne einer geringeren Gültigkeit oder Qualität der qualitativen Verfahren missverstanden.

Auch die/der qualitative bzw. explorative Forscher/in führt eine Untersuchung nicht plan- und richtungslos durch, sondern es bedeutet, dass der Blickwinkel zunächst weit ist und erst im Verlauf der Untersuchung fortschreitend zugespitzt wird.

Reflexivität von Gegenstand und Analyse

In interpretativen Prozessen wird den Bedeutungen von menschlichem Verhalten eine prinzipielle Reflexivität unterstellt. Dies gilt sowohl für sprachliches (Symbole, Deutungen, Sprechakte) als auch für nonverbales Verhalten (Gesten, Handlungen usw.).

Da jede Bedeutung reflexiv auf das Ganze verweist, wird die Bedeutung eines Handelns oder eines sprachlichen Ausdrucks nur durch den Rekurs auf den symbolischen oder sozialen Kontext seiner Erscheinung verständlich. Im Sinne der hermeneutischen Zirkularität von Sinnzuweisung und Sinnverstehen setzt somit ein Verständnis der Einzelakte bzw. des Verhaltens immer ein Verständnis des Kontextes voraus.

Die Reflexivität der Methode setzt daher auch eine reflektierte Einstellung der/des Forschenden sowie die Anpassungsfähigkeit seiner Untersuchungsmethoden und -instrumente voraus.

ZIRKULARITÄT DES FORSCHUNGSPROZESSES

Der Forschungsprozess in der qualitativen Sozialforschung ist zirkulär. Damit ist gemeint, dass eine bestimmte Folge von Forschungsschritten mehrmals durchlaufen wird, und der jeweils nächste Schritt von den Ergebnissen des jeweils vorherigen Schrittes abhängt. Es werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant, weil jeder der Forschungsschritte Konsequenzen nach vorne (für das weitere Vorgehen) und nach hinten (Modifikation der Fragestellung) haben kann. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen (Erhebungsverfahren, Samplingentscheidungen, Auswertungsverfahren, etc.) vorläufig getroffen werden. Zu Beginn der Forschung liegt nur ein ungefähres Vorverständnis über den Forschungsgegenstand vor. Auf dieser Basis werden zunächst nur wenige nächste Schritte geplant.

Offenheit

Das Prinzip der Offenheit bedeutet Offenheit der Forschenden gegenüber

  1. den Untersuchungspersonen,
  2. den Untersuchungssituationen und
  3. den Untersuchungsmethoden. 


Qualitative Sozialforschung versteht sich im Gegensatz zur quantitativen Vorgehensweise nicht als Hypothesen prüfendes, sondern als Hypothesen generierendes Verfahren. Qualitativ Forschende versuchen also nicht Theorien, Konzepte oder Ideen an der Wirklichkeit zu bestätigen oder zu widerlegen, sondern Neues zu entdecken. Der Hypothesenentwicklungsprozess wird bei der Anwendung qualitativer Verfahren damit erst zu Ende des Forschungsvorhabens abgeschlossen. Die Forschenden sollen daher so offen wie möglich gegenüber neuen Entwicklungen sein, damit diese auch in die Hypothesengenerierung einfließen können.

Die Forschenden sollen offen für mögliches Neues sein und sich nach Möglichkeit auch nicht vorab informieren, d.h. sehr bewusst mit einer naiven Haltung ins Feld gehen.